Kirgisistan 2021 - Durchs Naryntal und über den Tosorpass zum Issyk Kul
Sonntag, 4. Juli 2021
Durchs Naryn-Tal nach Naryn
Nach unserem gemeinsamem Frühstück und Zusammenpacken radeln Daniel und ich gemächlich das Seitental des Naryn-Flusses, der übrigens später zum Syrdarja wird und in den Aralsee, oder besser gesagt das, was von ihm noch übrig ist, mündet. Das Tal ist wunderschön und wir machen viele Stopps.
Da passiert es, an Daniels altem Rad bricht die obere Befestigung seines Vorderradgepäckträgers. Er repariert es notdürftig und wir holpern gemächlich weiter zu Tal. Dort findet er einen Schmied und unsere Wege trennen sich. Danke an Daniel für die gemeinsame Zeit!Für mich geht es jetzt rund 100 km geradeaus und leicht ansteigend gen Osten durch das breite, weite und zunächst sehr öde, trockene Tal des Naryn. Die Straße ist asphaltiert, der Verkehr mäßig, und da es nicht so viel Abwechslung gibt, komme ich gut voran.
Abends bin ich in Naryn, der Gebietshauptstadt. Am Ortseingang präsentiert sich knallgelb und modern die Zentralasiatische Universität. Doch dann geht es 10 km bis zum Stadtzentrum entlang tristem Sowjetcharme. Ich komme im Dasha-Guesthouse unter, ein kleines, ordentliches Zimmer mit funktionierender warmer Dusche. Um die Ecke in einer Sackgasse, ohne Schild und nichts, esse ich bei einer goldbezahnten Älteren leckere Schaschlikspieße mit Salat und trinke dazu ein Bier, das mich ganz schön umhaut.
Montag, 5. Juli 2021
Ruhetag in Naryn
Ich spaziere durch die Stadt, entlang der 10 km langen Ulitza Lenina und versuche ihren Charme zu ergründen. Viel gibt es nicht zu sehen. Am interessantesten finde ich noch die uralten Autos sowjetischer oder auch deutscher Bauart, die hier noch nach Jahrzehnten ihren Dienst tun, auch wenn sie auf dem allerletzten Loch pfeifen. In einem banalen Imbiss, der sich „Café“ nennt, esse ich einen superleckeren Salat. Am reissenden Fluss gehe ich zurück, quere dabei über schmale Fußgängerbrücken. Dann besuche ich noch das kleine ethnographische Museum, in dem preisgekrönte Wollteppiche, archäologische Fundstücke aus vorislamischer Zeit und traditionelle Kleidungsstücke ausgestellt sind.
Ich bastle noch etwas an meiner Internetseite und gehe abends ins „Bamboo“ essen, ein schickes Restaurant, das mir von einem Deutschen, den ich auf der Straße traf und der hier für die GIZ Projekte für Jugendliche macht, empfohlen wurde. Die meisten Tische sind leer. An den übrigen sitzen junge Leute. Das Essen ist auch hier super. Vorspeise: warmer Auberginensalat in einer ankaramelisierten Teigkruste – in meinen Augen sterneverdächtig. Preis zwei Euro.
Dienstag, 6. Juli 2021
Durchs Naryntal gen Tosor-Pass
Zunächst geht es durch das breite, saftig grüne Naryntal. Der Verkehr der Stadt hat schnell abgenommen. Leider endet nach 20 km der Asphalt. Die Wiesen blühen gelb, dazwischen rosafarbene Futterkleefelder. In den Bergen donnert es gewaltig. Ich werde jedoch von ein paar Tröpfchen mal abgesehen den ganzen Tag trocken bleiben.
Nach 40 km ändert sich das Landschaftsbild. Am Zusammenfluss von Großem (oder auch Chang) Naryn und Kleinem (Kichi) Naryn beginnt eine atemberaubende Schlucht, durch die der „Kleine“ der beiden Flüsse fließt, auch als reißender Strom. Hie und da gibt es Jurten, in denen auch Übernachtungen angeboten werden. Als die Schlucht sich weitet, finde ich auf einer Ebene im Schutze eines verfallenen Lehmgehöftes ein Schlafplätzchen.
Mittwoch, 7. Juli 2021
Weiter durchs Naryntal gen Tosor-Pass
Das Tal des Kleinen Naryn weitet sich immer mehr bis zu einer Hochebene. An der Straße steht ein Junge, sein Rad daneben auf dem Kopf. Ich halte an. Das obere Schaltungsrädchen ist abgefallen. Er hält es in der Hand. Mit einem Kreuzschlitzdreher ist es schnell wieder befestigt und wir radeln ein Stück zusammen, bevor er abbiegt.
Eine auffällige Felsnadel steht zwischen Straße und Fluss. Steht da am Straßenrand ein Fahrrad? Es sind gleich zwei, beladen mit Reisegepäck, und auf der Felsnadel sitzen Lucky aus UK und Severin aus der Schweiz. Wir tauschen uns aus über das Woher und Wohin und fahren dann in entgegengesetzten Richtungen weiter.
Auf einer großen freien Wiese stehen 15 weiße Gruppenzelt in Reih und Glied, daneben ein paar Jurten. Da könnte es doch etwas zu essen für mich geben. Die Antwort ist zunächst nein. Als ich nachfrage, was das für ein Camp ist, bekomme ich keine Antwort. Dafür gibt es dann aber doch etwas zu essen. Es gibt einen hübschen Springbrunnen mit glasklarem Wasser, eine Hollywoodschaukel, in der ich bei Tee auf mein Essen warten darf, eine Hängematte und fünf gleiche Mountainbikes. Das Essen bekomme ich in einer Jurte serviert, in der für 20 Personen eingedeckt ist. Keine Ahnung, was das für eine Veranstaltung ist.
Nach langwierigem Gehoppel über den steinigen Weg biegt er endlich aus der Ebene in ein Gebirgstal. Ich will noch bis zu einer Biegung und halte Ausschau nach einem Zeltplatz. Als die Biegung kommt, steht da ein Haus und auf der Wiese davor ein paar Zelte, eigentlich nicht das, was ich suche. Mangels Alternativen schaue ich mir den Platz aus der Nähe an und lerne die fröhliche Felizitas aus Hamburg, die mit einem Kirgisen und einer Kirgisin zu Pferd unterwegs ist. Es sind noch mehr Leute hier, auch Kirgisen. So viele Touristen habe ich hier noch nirgendwo gesehen.
Das ganze hat einen Grund: es gibt eine heiße Quelle. 54 Grad soll sie haben. Ich stelle mich in die Schlange und gelange mit dem jungen kirgisischen Guide in die kleine Hütte. Das Wasser ist super heiß und ich habe das Gefühl, mich zu verbrühen. Wie soll das gehen? Der Kirgise ist mutiger. Wir lachen beide viel und so ganz langsam traue ich mich auch weiter. Der Trick: nur ganz langsam bewegen im heißen Wasser. So schaffe ich es bis zum Hals vielleicht eine Minute drin zu bleiben.
Beim Blick zurück das Tal hinab über die Ebene thront ein riesiger Berg. Er scheint nochmal deutlich höher als die umgebenden schneebedeckten Berge. Moldo Bashe, ist aber doch nur 4.600 m hoch.
Donnerstag, 8. Juli 2021
Über den Tosor-Pass
Nur sehr allmählich gewinne ich an Höhe. Das Tal wird wieder breit, sehr breit. Anfangs ist es noch attraktiv und schön, dann wird es immer monotoner. Immerhin kann ich fast alles fahren. Die Furten häufen sich. Aber ob das was wird heute mit der Passüberschreitung? Um drei mach ich nochmal Pause, koche mir was und mach ein kleines Verdauungsnickerchen. Dann geht es plötzlich doch voran, vielleicht auch, weil es nicht so viel zu gucken gibt als grüne Wiesen und Berge drumrum.
Um 6 bin ich oben auf dem Pass. Die letzten Höhenmeter waren nochmal anstrengend, viel grober Schotter, steil, schieben ist angesagt. Und jappsen, denn die Luft ist dünn hier auf 3.893 m Höhe.
Auf der anderen Seite Gletscher und Blockhalden, durch die die Straße steil bergab führt. Langsam wird es grüner und auf feinem Schotter rollt es sich teilweise wunderbar. Das Tal ist wunderschön im Abendlicht. Eine Yak-Herde taucht auf. Erstaunlich wie flink diese Tiere über die Berge springen, fast schon wie Gemsen. Zwei Stunden brauche ich vom Pass auf 3.890 m runter auf 2.100 m. Hier ist es schön warm und als es endlich etwas flacher wird, finde ein Zeltplätzchen an einem kleinen Nebenzufluss.