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Argyll und Äußere Hebriden, 20. bis 27. Mai 2024

Montag, 20. Mai 2024

Von Kildonan auf Arran nach Tarbert (70 km, 700 hm)

Entlang der Westküste fahre ich um die Insel. Das Meer ist klar, das Ufer meist steinig. In Lochranza besteige ich die Fähre nach Claonaig. Auch hier sind ein paar Leute mit Rädern unterwegs. Ich bin der einzige, der rechts nach Skipness abbiegt. Ich will einem Graveltrail folgen, „Wild About Argyll“ auf Komoot. Es geht auf rund 400 m rauf, meist Forststraße, aber auch ein Stück Singletrail. Die steilen Passagen muss ich schieben.

Auf der Abfahrt finde ich bei einem Cairn, einem alten Steinhaufen, ein Plätzchen mit Aussicht für mich und mein Zelt. Es windet etwas, also heute keine Midges.

Dienstag, 21. Mai 2024

Vom Hügel über Tarbert nach Oban (100 km, 1.000 hm)

Im schönen Morgenlicht krieche ich aus meinem Zelt. Da braust auch schon der erste Mountainbiker mit kurzem Gruß an mir vorbei und den Downhilltrail bergab. Der ist mir doch zu steil und ich bevorzuge den geschotterten Wirtschaftsweg, zumindest bis ein kleiner Pfad talwärts abzweigt. Der geht auch steil bergab, zwei Mal muss ich schieben. So lande ich bei der Burgruine von Tarbert. Dort hat ein radelndes Paar aus Belgien gezeltet, auch ein sehr schöner Platz. Allerdings hatten sie Midges am Abend. Dafür konnten sie im Yachthafen eine öffentliche Dusche nutzen. Ich entscheide mich für die Hauptstraße nordwärts Richtung Oban entlang der Ostküste. Etwas mehr Verkehr, auch LKW, aber okay und weitgehend flach, so dass ich gut vorankomme.

 

Gefühlsmäßig fällt es mir nicht so leicht, hier anzukommen. Viele kritische innere Stimmen beschäftigen mich. Schon kleine Ungewissheiten machen mir zu schaffen und ziehen mich runter. Es muss schon richtig schön sein, damit ich es genießen kann. Ist es denn überhaupt schön hier oder nur so durchschnittlich? Was mache ich hier also? Sollte ich nicht besser woanders sein, was anderes machen? Wie soll das bloß bei meiner großen Reise werden, meiner mehrjährigen Weltreise ab Herbst?

 

Diese Gedanken zu vertreiben funktioniert überhaupt nicht. Mich nicht so anzustellen – das ist nicht. So ist der Schlamassel perfekt. Was hilft? In die bedingungslose Annahme zu gehen. All das sind Teile von mir und sie haben ihre Berechtigung. Auf die körperliche Wahrnehmungsebene zu gehen hilft. Stechen und Brennen im Becken und Bauch, Enge im Brustkorb, Druck im Kopf. Ich bin nicht so der Typ, der sich heulend in den Straßengraben setzt, aber ein paar Tränen auf dem Rad vergieße ich schon mal. Das erleichtert und macht Raum für freudige Leichtigkeit und Abenteuerlust, die ich mir so sehr wünsche.

 

So auch heute. Die Küstenstraße ist schön. Blühende Rhododendren bilden Farbkleckse. Ein Kanal zweigt von der Bucht ab. Es rollt leicht bei Rückenwind. Ich besichtige alte Steinkreise, rund 5.000 Jahre alt, damals noch aus Holzteilen. Die ruhige Strecke führt entlang eines langgezogenen Sees durch ein schmales Tal. Ich passiere eine Baustelle. Alles klar, deswegen gibt es hier keinerlei Verkehr.

Das angekündigte Café hat leider geschlossen. Daneben lehnt jedoch ein Bikepackingrad und auf dem kleinen Balkon hinter dem Haus sitzen drei Leute. Ich bekomme einen Kaffee. Der Waliser und Clement und Charlotte aus Grenoble sind mit dem Rad unterwegs. Das französiche Paar will auch nach Barra, morgen mit der Fähre. Sie empfehlen mir, die Überfahrt im Internet zu buchen, denn sie wäre häufig ausgebucht. Eine nette Unterhaltung.

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Frohgemut radle ich weiter. Die Route biegt nach Westen ab und ich denke so langsam über einen Übernachtungsplatz nach. Kurz vor Oban entdecke ich auf der Karte einen Campsite. Bis dahin geht es noch durch eine kleine Schlucht, einen schönen Wald und ein weites Tal im schönen Abendlicht. Der Himmel hinter mir ist schwarz, von vorne scheint die Sonne und bildet einen Regenbogen.

Der Campsite ist ziemlich basic. Ein Miniklo, das war´s. Zum Waschen bekomme ich jedoch einen Kanister mit warmem Wasser und wasche mich unter freiem Himmel. Die Midges freuen sich darüber, bis ich im Zelt verschwinde. Ich checke die Internetseite der Fährgesellschaft. Die Fähre nach Barra ist für Räder leider outsold. Ich solle mir überlegen, an einem anderen Tag zu fahren oder auf mein Rad zu verzichten. Ich hoffe auf mein Glück vor Ort.

Mittwoch, 22. Mai 2024

Von Oban mit der Fähre nach Barra

Bis Oban sind es nur ein paar zerquetschte Kilometer. Erstes Ziel: Fährhafen. Auch hier: ausgebucht. Die drei an der Rezeption unterhalten sich und schon ist klar, ich darf mit. Yeah!

 

Das Städtchen ist geschäftig, wie es sich für eine Hafenstadt gehört. Viele Touris unterwegs, auch Backpacker und Radreisende – keine Ahnung, wo ich so viele schon mal gesehen habe. Ich hatte im Internet nach einem Waschsalon recherchiert. Sind aber alle nur mit Wäscheaufgabe. Wird also nichts mit frischer Wäsche. Ich frühstücke ausgiebig in einem Café und genieße diesen Luxus, den ich ein paar Tage nicht hatte, sehr. Das mag ich an dieser Art zu reisen.

Auf der Fähre treffe ich Clement und Charlotte wieder. Das Schiff fängt irgendwann zu schaukeln an, denn es stürmt ganz schön. Mir wird etwas übel und ich bin froh, als wir Castlebay auf Barra erreichen. Ich kämpfe mich gegen den Sturm, laut Wetter-App 50 kmh, Böen 70, bis zu einem Campingplatz an der Westküste. Mein Stellplatz ist etwas windgeschützt, so dass mein Zelt erstaunlich gut steht.

Donnerstag, 23. Mai 2024

Ruhetag auf Barra

Es ist bedeckt winded immer noch sehr, ist aber trocken und ich mache mir einen gemütlichen Tag. Ohne Gepäck breche ich mit dem Rad zur Südspitze der Insel auf, Vatersay. Ich spaziere zu hübschen Sandbuchten und bekomme in dieser abgelegenen Ecke sogar einen Kaffee und ein Stück Kuchen.

Freitag, 24. Mai 2024

Von Barra nach North Uist

Es sind rund zehn Kilometer bis zur Fähre nach Eriskay, der nächsten Insel in der Reihe der Äußeren Hebriden gen Norden. Ich erreiche sie genau passend und darf auch ohne Reservierung mit. Eriskay hat nicht viel zu bieten. Über einen Damm geht es nach South Uist. Es gibt ein nettes Café. Sonst finde ich die Insel ziemlich langweilig, öde und flach bei grauem Himmel. Allerdings holen mich Charlotte und Clement ein. Wir radeln ein Stück zusammen und schauen uns das kulturhistorische Museum an.

Ich treffe sie später nochmal. Die beiden steuern gerade einen Campingplatz an. Ich will jedoch noch weiter bis North Uist und campe dort.

Samstag, 25. Mai 2024

Von North Uist nach South Harris

North Uist gefällt mir viel besser. Da trägt sicherlich auch die Sonne dazu bei. Die Seen und das Meer leuchten in verschiedensten Farben. Es gibt schöne alte Gebäude und tolle Buchten.

Ich bin pünktlich um eins am Fähranleger nach Harris. Die Fähre fährt aber wegen Niedrigwasser erst kurz vor drei. Sie tuckert im Zickzack zwischen den kleinen Inselchen und Untiefen. Nicht nur der Name ist also so ähnlich wie der der ostfriesischen Insel Juist.

Ich besichtige die einfache, hübsche kleine Kirche am Inselzipfel und fahre dann an der Ostküste weiter zu meinem Campingplatz. Die Landschaft wird immer karger. Nackter Fels ersetzt das Dauergrün. Ein Mann, John, hält mich an. Er muss unbedingt mit mir sprechen. Er spielt heute Abend Gitarre auf dem Campingplatz. Davon hatte ich schon gehört und freue mich auf das kleine Festival im Niemandsland. Bin mal gespannt, wie voll das wird.

 

Auf dem Campingplatz Listiko Bay werde ich sehr herzlich von Greg und Adelin empfangen. Schnell ein Zeltplätzchen in der wilden Anlage gesucht, geduscht und schon geht es in das alte Steinhaus, in dem Greg und Adelin leckeres Hirschgulasch servieren. Es sind rund 25 Menschen da. Bald kommt auch John mit seiner Gitarre und legt los. Begleitet wird er von Toni auf einem elektronischen Saxophon. Sie spielen bekannte Singer-Songwriter-Stücke, auch mal einen Song auf Caledonien. Peter löst ab und singt weniger bekannte Sachen. Dann kommt noch Charlie mit eigenen Songs und irgendwann alle im wilden Wechsel. Cara und Adelin singen dazu. Sehr unterhaltsamer Abend und gegen Mitternacht bin ich einer der letzten und flüchte vor den Midges in mein Zelt.

Sonntag, 26. Mai 2024

Von South Harris nach Calanais

Die Midges nerven beim Zeltabbauen ziemlich und ich ergreife die Flucht. Ich quere an die Westküste zu einem sehr schönen Strand. Es ist viel los und auf der schmalen Zufahrtsstraße drängeln sich die Autos und Campervans.

Über die Berge radel ich nach Tarbert. Leider hat heute nichts geöffnet, auch kein Lebensmittelladen. Es ist mittlerweile bedeckt und windig. Die Landschaft hat nicht so viel zu bieten. Endlos geht es durch Berge und Hügel. Andere Radreisende und auch eine mir schon öfter begegnete Reisegruppe mit Rennrädern lockern das Grau etwas auf. Kurz vor Stornoway biege ich gen Westen ab und finde mich auf dem Weg zu den Steinkreisen von Calanais (gällisch: Callanish) in flachem Hochland wieder. Einen der Steinkreise schaue ich mir noch an. Dann finde ich einen schönen Zelplatz an einer Meeresbucht. Die Sonne kommt raus und es ist sehr lauschig.

Montag, 27. Mai 2024

Von Calanais nach Stornoway und mit der Fähre zurück aufs Festland bei Ullapool (30 km, 300 hm)

In der Nacht fing es an zu regnen und auch der heutige Tag soll verregnet sein. Ich schaffe es in einer Regenpause mein Zelt einzupacken. Das Visitor Center bei den Standing Stones ist leider geschlossen. Es gibt auch keinen Unterstand und die Toiletten sind verschlossen. Ich schaue mir die beeindruckende Anlage aus bis zu vier Meter hohen, massiven Steinblöcken, sie müssen einige Tonnen wiegen an. 4.000 Jahre ist sie alt und besteht aus einem Ring um den zentralen Monolithen, einer langen Allee aus zwei parallelen Reihen, sowie drei einzelnen Reihen, die mit der Allee ein Kreuz mit dem Ring als Mittelpunkt bilden. 

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Ich fahre im Regen auf direktem Weg nach Stornoway, gehe dort in einem Café frühstücken, fülle großzügig meine Vorräte auf und schaue mir das prächtige Herrenhaus aus dem 19. Jahrhundert an, das jetzt ein Hotel ist. Um zwei Uhr geht die Fähre nach Ullapool. Das Wetter ist doch weitgehend trocken geblieben. Nach der halben Fährstrecke, sie dauert zwei Stunden, vierzig Minuten, taucht die markante Kulisse der schottischen Highland-Berge auf.

Ullapool liegt an einer recht tiefen Bucht, durch die die Fähre fast schon wie ein Kreuzfahrtschiff seinen Weg findet. Die Stadt ist sehr lebendig, kein Wunder bei den vielen Leuten und Fahrzeugen, die gerade ankamen. Ich radle ein paar Kilometer auf viel befahrener Straße bis zum Campingplatz, hübsch gelegen auf einer kleinen Landzunge zwischen den vielen Buchten und Inseln.

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