#031 - Türkei (Teil 10, von Midyat nach Çukurca, Teilstrecke im Krankenwagen)
16. Juni 2025: Von Günyüzü nach Kaynaklı
Heute hab ich wenig Lust, anstrengende Berge raufzuradeln. Am liebsten würde ich länger bei der netten Familie bleiben. Barış ist sehr zuvorkommend. Alles ist unkompliziert. Und die Jüngste, Aladur, zwei Jahre alt, ist supersüß und lacht mich ständig an. Ihr Opa schlägt vor, ich sie mir mitzugeben.
Ich schleppe mich dann doch los, weiter das wunderschöne Tal runter. Runter? Immer wieder muss ich steil hoch. Die Berge sind gewaltig und ich fühle mich ganz klein und schwach und etwas überfordert mit meinem schweren Rad mittendrin. Ich erreiche die Straße an der Grenze zum Irak. Nichts los hier. Einige Kontrollposten. Immer nette Leute.
In Ortaköy setze ich mich zu zwei Türken auf eine Terrasse. Es kommen noch mehr dazu. Englisch kann keiner. Untereinander unterhalten sie sich gut - im Lärm und Gestank ihrer Betonmischer, die direkt vor uns parken. Einer der Fahrer sitzt zwischen zwei Türken. Er hat den rechten Arm um das aufgestellte Bein des einen gelegt. Die linke Hand liegt auf der Brust des anderen. Schön zu sehen, wie natürlich dieser Körperkontakt ist.
Ich muss noch siebenhundert Meter rauf, atemberaubende Berge ringsum, und es läuft jetzt besser. Der Pass liegt auf 2.080 Metern. Schnell ein paar Fotos. Ich winke dem Posten hoch über mir. Der reagiert aber nicht. Ein Stück weiter komme ich an einen Kontrollposten bei einer größeren Kaserne. Drei Soldaten stoppen mich und wollen etwas von mir. Sie sind freundlich, aber bestimmt. Es dauert, bis ich verstehe, dass ich die Fotos von meiner Kamera löschen soll. Dann gibt es Çay.
Eine Sirene ertönt. Das Tor öffnet sich und ich soll plötzlich weiterfahren. Kommt der Boss? Kaum sitze ich auf dem Rad, kommt ein weißer Pickup. Das Beifahrerfenster geht runter und der smarte Savaş stellt sich mir als Kommandant vor. Schnell sind ein Tisch und zwei Stühle aufgebaut. Wir bekommen Tee, Wasser, Kaffee, Kekse und Nüsse serviert.
Savaş ist ein freundlicher und angenehmer Gesprächspartner. Komplett auf Augenhöhe. Erfolgreicher Triathlet und damit auch Radfahrer. Er lädt mich zum Dinner ein. Doch Übernachten kann ich hier nicht. Da es spät ist, verabschiede ich mich. Wir tauschen noch Telefonnummern aus.
Die Abendsonne wirft tolles Licht auf die grandiose Berglandschaft. Im Tal lande ich auf einer Neubaustrecke. Ein Feldweg zweigt ab und bietet mir ein Plätzchen zum Zelten mit Blick übers Tal. Abgesehen davon, dass meine Verdauung tagsüber etwas empfindlich war, ahne ich noch nicht, was in der Nacht passieren wird.