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#024 - Türkei (Teil 3, von Istanbul nach Afyon)

Seltsame Geräusche meines Antriebes bescheren mir einen Extratag in Istanbuler Radläden. Doch dann setze ich mit der Fähre von Istanbul Yenikai über bis nach Yalova und setze meine Radreise durch Anatolien fort. Hübsche Täler und Seen wechseln sich ab mit langweiliger Landschaft. Es wird immer ländlicher und abgelegener, ursprünglicher. Einladungen zu Cay und nette Begegnungen häufen sich.

22. April 2025: Von Kınık nach Döğer

Nach der gemeinsamen Zeit mit Hans, seit ich wieder alleine unterwegs war, fiel es mir schwer, bei mir anzukommen. Ich war viel im Abwehr- und Schutzmodus. Dazu technische Probleme mit dem Rad, der Moloch Istanbul. Seit gestern ändert sich das. Die schöne Landschaft, ruhige Straßen, freundliche Begegnungen, schönes Wetter, all das ermöglicht mir, mir Raum zu geben für das, was in mir ist.

Da ist Trauer, Einsamkeit, Angst vor dem Fremden. Ich lasse es zu. Das ist Arbeit, dran zu bleiben, aufmerksam zu bleiben, nicht abzuschweifen. Nicht eine Lösung herbeizusehnen. Ein guter Schritt: in meinen Körper zu horchen, meine körperlichen Wahrnehmungen betrachten. Drücken im Bauch, Druck auf dem Brustbein, elektrisierte Haut, Schwere um die Augen. Nur Aufmerksamkeit schenken. Meinetwegen "Radikal Erlauben" (Mike Hellwig). Ist das die Lösung? Es scheint zu helfen.

Nach zwanzig Kilometern erreiche ich Kütahya, ein aufgeräumtes, modernes Städtchen. Zeit für ein zweites Frühstück mit leckeren Backwaren. Die geraspelten Möhren im gefüllten Brötchen entpuppen sich allerdings als geraspelte Suçuk.

Auf dem Weg durch das intensiver genutzte Umland von Kütahya überquere ich mal wieder - meine Spezialität und eigentlich wollte ich das nie wieder tun - illegal ein Bahngleis. Der alte Überweg ist weg, die Brücke noch im Bau.

Dann erreiche ich wieder die bunte Mosaiklandschaft. Es ist sonnig und warm und ich halte an einem Brunnen in Belkavak. Daneben eine kleine Moschee mit einer hübschen Bank. Zeit für eine Bananenpause. Ein Mann kommt durchs Tor, lächelt freundlich, etwas schüchtern und setzt sich neben mich. Er spricht wenige Brocken englisch. Mit App geht die Unterhaltung aber gut. Es stellt sich heraus: er ist der Imam. Er lädt mich zum Çay ein und kocht mir ein leckeres Essen.

So vergeht die Zeit. Ich dürfte auch bei ihm schlafen, doch ich will noch ein Stück weiter. Der Himmel ist mittlerweile dunkelgrau und es sieht nach Regen aus. Der setzt ein, gerade als ich ein kleines Gebetshaus mit Schutzhütte passiere. Ich schnell rein. Zwei ältere Türken und eine Türkin sitzen da schon. Ich bekomme Tee.

Das waren nur ein paar Tropfen und ich radle bald weiter. Als ich an einer Tanke vorbeikomme, erfasst mich eine gewaltige Böe und es fängt an, tierisch zu stürmen. Nicht daran zu denken weiterzufahren. Der Tankwart, ein junger Bursche, freundlich, was sonst, winkt mich rein. Tee und Limo. Nach ner halben Stunde lässt der Wind nach. Im nächsten größeren Ort, Döğer – ich bin auf den Geschmack gekommen und habe bei dem wechselhaften Wetter nichts gegen ein festes Dach über dem Kopf – fahre ich zur Moschee. Ein Mann bringt mich zum Imam, der auch so aussieht, und weiter zum Gästehaus, wo ich übernachten kann.
Es kommen noch eine Handvoll Männer vorbei, als „Onkel“ angekündigt. Sie gucken Fußball, trinken Tee und unterhalten sich. Ich fühle mich nicht so wohl, keiner spricht englisch, einen finde ich nett, bin müde. Um elf verabschieden sie sich und ich habe den hochgeheizten Raum für mich. Dank dem späten Tee kann ich nicht gut einschlafen – eine Ausnahme.

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