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#010 - Albanien

Auch im Nordosten Albaniens führen mich einsame Straßen durch schneebedeckte Berge. Ich übernachte sehr günstig in guten Hotels, bei einem Campingplatz, in einem Gästehaus. Die Menschen sind sehr freundlich, zugewandt, neugierig. Das erhöht deutlich meinen Genuss beim Reisen.

11. und 12. Januar 2025: Ruhetage in Bajram Curri

Nach dem Wettercheck gestern Abend war ich motiviert, heute loszufahren und die 90 Kilometer und 2.000 Höhenmeter bis Kukës innerhalb von zwei Tagen abzuschließen. Heute war wenig Niederschlag, morgen richtig viel Schnee vorhergesagt. Davon hätte ich mich in Kukës erholen können. Der Blick heute morgen ließ meine Motivation schlagartig verpuffen. Jede Menge Schneematsch und weiter anhaltender Schneefall. Wäre durchaus möglich loszufahren. Lust allerdings hatte ich keine. Also bleibe ich noch ne Weile hier.

Meine Unlust umfasst auch Ängste. Es hat sich aber etwas verändert. Es ist nicht mehr so sehr so ein Gefühl, oh Gott, was tue ich mir an, es umhüllt mich nicht mehr so komplett, nimmt mir meine Autonomie, rührt aus tiefen Urängsten, triggern Traumata. Nein, es fühlt sich klar an, nein danke, keine Lust auf glatte Straßen, Nässe und Kälte oder auch Unfallgefahr. Ich kann frei und leicht entscheiden und das heißt, ich bleibe hier.

Stattdessen merke ich im Lauf des Tages, dass es mir schwer fällt, das Nichtstun zu genießen. Ist irgendwie nicht erlaubt. Ich müsste etwas Sinnvolles tun. Ein Druckgefühl. Ich begegne ihm und es gelingt mir, es abzuschwächen und den Tag zu genießen, ohne irgendwelche besonderen Ereignisse oder Erledigungen.

Wie auch schon in den anderen Balkanländern drückt das Marode, Desolate, Unordentliche auf meine Laune. Zerfallene oder halbfertige Gebäude gibt es vor allem in den Städten. Die schrottigen Autos, viele deutsche Marken aller Baujahre, finde ich dagegen schon fast sympathisch. Die Gegensätze sind enorm. Es gibt auch sehr schicke Häuser und viele dicke Autos von Edelmarken. Die ordentliche Oberflächlichkeit in Deutschland finde ich auch nicht toll. Die Armut auf dem Balkan finde ich schon bedrückend und habe noch keinen guten Umgang damit gefunden.

Es ist auch schlechtes Gewissen dabei. Reines Glück, dass ich in Deutschland geboren wurde. Das schätze ich schon sehr. Der äußere Schein dürfte auch trügen. Wie es in den Herzen der Menschen aussieht, wie zufrieden und glücklich sie sind, steht auf einem anderen Blatt, ist vielleicht sogar umgekehrt reziprok zum materiellen Wohlstand.

Tja, voll bescheuert. Auch in der nächsten Nacht hat es gar nicht so viel geschneit, wie angekündigt. Und es soll auch bei mäßigem Schneefall bleiben. Ich könnte also durchaus heute losfahren. Bisschen Abenteuer wagen. Allerdings hab ich verschlafen. Ist schon acht. Normalerweise wache ich so um halb sieben auf.

Was also tun. "Abenteuerlust spüren" ist der übrig gebliebene Wunsch aus meinem Rauhnächteritual. Fühlt sich richtig gut an. Es geht um "Lust spüren" und nicht um erzwingen, funktionieren. Alles klar, ich bleibe noch ne Nacht. Und freue mich, als das Okay von der Hotelfrau kommt.

Es entsteht Raum, emotionale Freiheit in mir. Da kommen Ideen. Beim Frühstück recherchiere ich über Warmshowers ne Adresse, an die ich meine Wahlunterlagen und auch ein paar Teile aus Deutschland schicken lassen kann. Das Thema hätte ich sonst weiter vor mir hergeschoben. Das kann ich gut und mein Sorgenmodus unterstützt mich prima dabei. Anna und Kostas, „The best Bakery of the World”, schicken mir prompt ihr Okay und ihre Adresse.

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