Niedersachsen, 25. Dezember 2024
Vom Wilseder Berg in der Lüneburger Heide bis zum Hohen Meuchtin im Wendland
98 km, 700 Höhenmeter
Das ist schon eine spezielle Nacht. Bei so einem Sturm habe ich noch nie gezeltet. Er tobt die ganze Nacht. Mein Zelt steht gut im Windschatten der Schutzhütte, allerdings unweit von Bäumen. Wirklich entspannt bin ich also nicht. Krachen von irgendwelchen Ästen oder gar umstürzenden Bäumen höre ich zu meiner Beruhigung nicht. Allerdings tobt der Sturm ziemlich laut und in unterschiedlichen Qualitäten: langsam anrollende Wellen, die sich an den Bäumen brechen, donnerndes Rumpeln, wie ein startendes Flugzeug, pfeifendes Grollen. Ich kann ganz gut die Wut verstehen, die der Sturm mir vermittelt, Wut des Klimas auf die Menschen, die so nachlässig mit ihm umgehen.
Neben dem Sturm gibt es noch zwei weitere Überraschungen in der Nacht. Ich habe das Zelt unmittelbar neben der Hütte aufgebaut und direkt in einer Rinne, in der sich das Wasser vom Dach sammelte. Da es in der Nacht auch ordentlich regnete, steht mein Zelt in einer Pfütze und ich werde um die Erkenntnis bereichert, dass mein schickes Hilleberg Niak nicht dicht ist. Da muss ich wohl mal die Nähte nachdichten. Danke liebe Pfütze!
Zweite Überraschung: schon in der Nacht bekomme ich Halsschmerzen. Das fühlt sich nicht gut an. Sollte meine Tour schon nach einem Tag zu Ende sein? Von Lüneburg mit dem Zug zurück? Oder Oly anrufen, der mir wie schon so oft angeboten hatte, mich im Notfall mit seinem Golf abzuholen? Ich verschiebe die Entscheidung auf den Morgen. Da wird mir schnell klar, so schnell würde ich nicht aufgeben. Ich habe Bock auf die Tour! Ich werde einfach noch achtsamer mit mir sein und entschleunigter und gemütlicher meine Tour genießen. Wenn das nicht geht, okay dann würde ich abbrechen. Danke lieber Husten für diese Hinweise.
In der Morgendämmerung rolle ich bergab gen Wilsede, vorbei an einem Museumsdorf. Kein Mensch weit und breit. Ist ja auch erst acht Uhr und Weihnahten. Durch sanfte Hügel, die aufgehende Sonne taucht die Landschaft in warmes Licht, erreiche ich Lüneburg. Schöne Innenstadt, na klar, aber Cafés? Fehlanzeige! Ein Dönerladen hat offen. Und da doch auch ein Café, von Türken geführt.
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Weiter geht es an der Ilmenau bis Bad Bevensen. Das Flüsschen hat auch ordentlichen Wasserstand, so dass ich meine Route etwas modifizieren muss. Bei Bienenbüttel spricht mich eine freundliche Frau an, Marcia, und wir tauschen uns unterhaltsam aus. Sowas ist mir in Deutschland noch selten passiert.
Wie kam ich überhaupt auf die Idee, eine mehrtägige Radtour mit Zelt mitten im Winter zu machen? Im Herbst hatte ich meine zweiwöchige Tour, auch mit Zelt, in die Schweiz und zurück gut überstanden. Der Countdown auf meiner Lebensarbeitsuhr zeigte nur noch zwölf Monate. Ab Oktober war mir klar: im nächsten Jahr um diese Zeit werde ich nicht mehr arbeiten, ich werde frei sein und tun können, was ich will. Mir wurde klar, ich will dann nicht warten, bis es Frühling wird, sondern unmittelbar starten in mein großes Abenteuer: mit dem Rad um die Welt. Start natürlich hier vor meiner Haustüre. Es wäre dann Herbst und Winter. Kalt und nass und dunkel. Mit der Herbsttour hatte ich das etwas angetestet. Warum nicht noch ne Schippe drauflegen und in den elf freien Tagen um Weihnachten auf Tour gehen? Gefragt, getan!
Ich würde erfahren, wie ich mit Widrigkeiten, der Kälte, der Nässe, der Dunkelheit zurecht komme. Würde meine Ausrüstung testen können, vor allem meine Kleidung. Nicht zu viel, nicht zu wenig. Ich würde aber auch erfahren, wie es mir in so einer Situation physisch und emotional gehen würde. Würde ich mich an Kälte, Nässe, Dunkelheit gewöhnen. Würde ich Genuss und Spaß finden, Geborgenheit und vielleicht sogar Glück. Irgendetwas in mir fing an zu brennen, diese Erfahrungen machen zu wollen. Es war entschieden.
Ein solcher Plan entspricht auch sehr meiner Überzeugung, dass Lebensglück und Dunkelheit sehr nach beieinander liegen und sich gegenseitig bedingen. Auf einer Luxusjacht in der Karibik? Das wäre nichts für mich. Nicht authentisch. Ignorant gegenüber vielem, was ist auf der Welt. Und es gibt viel Dunkelheit, leider. Sie kann auch sehr schön sein. Und zum Glück führen, wenn wir sie annehmen, die Zusammenhänge erkennen, die Chancen und Möglichkeiten.
Zurück auf der Straße: Ich fahre nach Himbergen vorbei. Dort hatte ich vor Jahren einige Gruppenseminare erlebt, die mein Leben sehr verändert haben und liebe Freundschaften entstehen ließen. Die Sonne neigt sich langsam, sehr langsam dem Horizont zu. Ich habe mir eine Schutzhütte auf dem Hohen Meuchtin ausgesucht. Da taucht, es ist jetzt schon dunkel, ein hoher Turm mit vielen roten Positionslichtern auf. Mist, dort habe ich keinen Bock zu zelten. Er steht aber gar nicht auf dem Hohen Meuchtin, sondern an der Bundesstraße nach Dannenberg. So finde ich eine wunderschöne kleine Hütte mit Tischgarnitur und daneben noch ein Plätzchen für mein kleines Zelt. Zu hören ist absolut nichts. Einen hohen Aussichtsturm gibt es auch. Den hebe ich mir für die Morgendämmerung auf.
Reise-Tipp, Kategorie Hygiene:
Ich bin ja nicht mehr so ganz der Jüngste. Das ein oder andere habe ich im Leben gelernt und versuche es anzuwenden. So helfen mir peinliche Umstände in erster Linie dabei, mich meiner Schwächen und Schamgefühle anzunehmen. Am besten liebevoll annehmend und mit zwickerndem Auge. Schwäche – da bin ich schon beim Thema: Blasenschwäche. Ich erlebe beim Radfahren regelmäßig, dass der Blaseninhalt zur Unzeit seinen Weg nach draußen findet. Echt schwer zu steuern. Gerne, wenn ich gerade pinkeln war und dann beim leichten Druck des Sattels auf den Dammbereich sich irgendwelche Reste finden. So ein Radpolster saugt schon mal was weg. Olfaktorisch ist das aber nicht so der Hit. Meist bin ich mit nur einer Ersatzhose unterwegs. Waschen, gerade im Winter mit Zelt, geht nicht immer oder die Hose wird nicht trocken. Die Lösung: Hygiene-Slipeinlagen. Gibt es in unterschiedlichen Größen und Saugstärke. Fühlt sich gut an und erfüllt den gewünschten Zweck.