#049 - Bulgarien (Teil 3, von Varshets nach Dusanovac, Serbien)
6. bis 12. November 2025: Der Nordwesten Bulgariens ist eine einsame, hügelige Region. In den Dörfern und auf den Straßen ist nicht viel los, so dass ich mich gut mit meinen inneren Prozessen beschäftigen kann. Was macht die anstehende ungemütliche Jahreszeit mit mir? Woher kommt meine innere Unruhe, die nach wie vor vorhanden ist. Ich überquere die Grenze nach Serbien und erreiche die Donau, welch majestätischer Fluss!
7. November 2025: Von Varshets nach Gavril Genovo
Ich fühle mich wieder fit. Nur noch leichtes Kratzen im Hals. Bauch ruhig und entspannt. Es zieht mich nach draußen.
Dort ist es allerdings nicht sehr einladend. Nass und kalt und neblig. Herbst halt. Immerhin kein Regen. Es ist an der Zeit, mich langsam an diese Witterungsbedingungen zu gewöhnen. Was bleibt mir anderes übrig? Besonders reizvoll erscheint das jedenfalls nicht. Vor drei Tagen bin ich noch in kurzen Hosen geradelt.
Und jetzt? Klamme Feuchtigkeit überall. Was zieh ich an. Schwitze ich, bildet sich ein Hitze- und Feuchtestau in den Klamottenschichten. Geht es dann bergab, kriecht sofort eisige Kälte durch jede Ritze. Finger werden kalt, Zehen auch. Die Nase trifft permanent. Pausieren - bloß nicht zu lange - schon wird es arschkalt.
Also immer schön checken, ob mir zu warm oder kalt ist, ob ich zuviele oder zuwenige Schichten anhabe. Plätzchen suchen zum Wechseln, möglichst trocken. Wärmer ist natürlich schöner. Kälter lässt sich aber besser regulieren - einfach etwas schneller fahren. Solange ich die Kraft dazu habe. Lust könnte auch nicht schaden. Und welches Körperteil ist maßgeblich? Hände, Füße, Bauch? Äußere Schichten oder Kerntemperatur? Solange ich mich innerlich warm fühle, ist der Rest nicht ganz so wichtig, hab ich gelernt.
Trotz all dem hab ich was übrig für diese Jahreszeit. Ein kleines Flämmchen lodert in mir. Ich mag das Morbide, Vergängliche, Zersetzende des Herbstes. Ruhe kehrt ein, Dunkelheit, Nichtstun. Ohne Herbst gäbe es keinen Frühling, das Neuerwachen, die Explosion der Blumen und Tiere. Etwas Neues beginnt dann. Das Alte muss dafür sterben. Und darf das auch. Ich bin dabei.
Ich fühle mich versöhnt mit dem Wetter, wie es ist. In Berkovitsa schau ich mir das Museum für Ivan Vasov an, dem berühmtesten Dichter Bulgariens, auch Politiker und Aktivist Ende des 19. Jahrhunderts. Das Nationaltheater in Sofia ist nach ihm benannt. Das Museum ist eher klein und unscheinbar. Fotos und Werke mit bulgarischen Erläuterungen werden ausgestellt. Für mich ist die Grundschulklasse interessanter.
Ich biege auf ein kleines Sträßchen in die Berge ab. Nur eine Spur breit, aber makelloser Asphalt, schlängelt es sich durch den Herbstwald. Ich folge einer Radroute "BP3" aus dem Internet. Zwei uralte LKW wollen auch hier lang, ich lasse sie passieren. Mal schauen, wie lange das gut geht.
Der Asphalt wird etwas schlechter. Dann hört er ganz auf. Ich höre Motorsägen. Der Weg ist nur noch Matsch, stellenweise tief zerfurcht von den LKW. Und Wasserlöcher. Meine eine Socke ist schon eingesaut, als ich beide ausziehe. Barfuß in Wandersandalen kann ich nach Herzenslust durch den Schmodder kurven, schliddern, auch mal schieben.
Die beiden LKW tauchen auf. Sie werden beladen. Ich muss etwas warten, dann darf ich vorbei. Der Weg wird besser, runter ins Tal. Im Bach wasche ich meine Füße und Unterschenkel. Die Socken sind jetzt leider nass. Und die Hose, gerade frisch gewaschen, dreckig.
Ich erreiche Gavril Genovo und bin unschlüssig. Es gibt ein Hotel im Ort, ein weiteres acht Kilometer weiter, und das Lopushan-Kloster abseits der Route, die auch Zimmer anbieten. Halbherzig entscheide ich mich für Letzteres. Könnte sein, mir wird es dort zu heilig.
Im Kloster ist nichts los. Ein Mönch verschwindet in einer Tür. Die Kirche ist sehr kunstvoll, bunt, Holzschnitzereien und alte Ikonen. Ganz hübsch. Fotografieren verboten. Ein Mönch tritt auf mich zu. Ich frage ihn, ob er englisch spricht. Er bedeutet mir zu warten und telefoniert. Father Dosidei erscheint. Wir kommen ins Gespräch. Ich erfahre etwas über das Kloster. Doch schon bald geht es um Umwelt- und Klimaschutz. Interessant. In vielem sind wir uns einig.
Ich frage nach einem Zimmer, die gemäß Reiseführer vermietet werden. Derzeit wird jedoch renoviert. Zimmer gibt es leider keine. Er kümmert sich jedoch, telefoniert rum und - mittlerweile sind ein weiterer junger Mönch und zwei Männer dazugestoßen - vermittelt mir zwei Alternativen. Ein leckeres Linsengericht bekomme ich auch noch serviert, bevor ich zurück in das Hotel in Gavril Genovo fahre.







