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Südafrika 2021 - Durch die Karoo

Freitag, 15. Oktober 2021

Von Steytlerville nach Jansenville, 60 km

Die Landschaft ist trocken und etwas eintönig. Abwechslung bringen säulenartige Sukkulenten mit leuchtend gelben Blüten. Auch Agaven, meist verblüht, wachsen hier. Erdmännchen springen über die Straße. Ich quere eine im Verfall begriffene Eisenbahnlinie, die „Old Cape Midland Line“ und verpasse einen Abzweig. Nicht schlimm. So bin ich etwas früher auf einer Asphaltstraße und der Rückenwind bläst mich nach Jansenville.

Samstag, 16. Oktober 2021

Von Jansonville nach Kransplaas, 100 km, 800 Höhenmeter

Ich breche früh auf, denn heute stehen 80 km auf dem Programm und der Wind bläst stark von Westen, so dass ich teilweise mit Gegenwind rechnen muss. Meine Wirtsleute haben mir eine Unterkunft in Kendrew vermittelt. Ich habe die Telefonnummer, weiß aber nicht genau, wo die Guestfarm liegt.

Zunächst geht es durch das Tal des Sunday-River, ganz hübsch und abwechslungsreich. In weiten Biegungen schlängelt es sich durch die Hügellandschaft. Verkehr null. Ab und zu Menschen auf einer Farm.

 

Ich lande vor einem Gatter und stelle fest, ich habe eine Abzweigung rüber auf die andere Talseite verpasst. Das Gatter ist nicht verschlossen. Autospuren sind erkennbar und die Richtung müsste mich in Kürze wieder auf die richtige Straße bringen. Tut sie aber nicht. Die Autospuren verschwinden und ich fahre parallel zur richtigen Straße, geschoben vom Wind immer weiter. Ein weiteres Gatter folgt. Mich durch die Büsche schlagen macht gar keinen Sinn – überall Dornengestrüpp und Zäune.

 

Also folge ich dem Weg immer weiter und hoffe, dass ich nicht in einer Sackgasse lande und alles wieder zurück muss. Ein abgeschlossenes Gatter folgt. Ich hebe Rad und Gepäck drüber. Dasselbe nochmal und endlich kommt eine Querverbindung und ich lande wieder auf der richtigen Straße. Uff, Glück gehabt.

Ich verlasse das Sunday-Tal und muss jetzt 27 km nach Nordwesten, leicht ansteigend und strammer, böiger Gegenwind. Ich rechne mit vier Stunden für diese Strecke. Zum Glück strampeln meine Beine entspannt und fast wie von alleine, so dass ich zwar langsam, aber stetig vorankomme.

 

Schließlich darf ich nach Nordosten abbiegen und habe für die letzten 13 km bis Kendrew Rückenwind. Dort angekommen, der Ort ist eher eine größere Farm, versuche ich, meine verabredete Unterkunft zu erreichen. Kein Kontakt – Mist. Da kommt aber auch schon ein Auto und das begeisterte Pärchen beschreibt mir den Weg. Acht Kilometer, nein nur vier, meint der Typ. Große Bäume, grüner Zaun, der Name steht dran. „You can´t miss ist.“ Sie bieten mir noch einen Lift an, aber die paar Kilometerchen schaffe ich noch, auch wenn es schon spät ist.

Ich halte noch ein Auto an. Es seien noch ein, zwei Kilometer. Ich komme an ein Tor, aber die Beschreibung passt überhaupt nicht. Also düse ich weiter. Es geht jetzt runter in ein Tal. Ich fasse schon mal Zelten ins Auge. Die Straße ist aber rechts und links eingezäunt. Eine Brücke, da könnte ich runterklettern. Hab ich auch keinen Bock zu. Die Sonne ist jetzt untergegangen.

 

Das Licht ist großartig, meine Stimmung nicht. Ich halte jetzt nach irgendwelchen Lichtern Ausschau. Ein großes, schickes Tor taucht auf: Kransplaas Game Reserve. Abgeschlossen. Da sehe ich, wie sich von drinnen ein Auto nähert. Stanley und Sohn. Ich rufe bei der Rezeption an. und drücke auf die Tränendrüse. Ich weiß auch wirklich nicht, was ich jetzt noch tun könnte. Die Anlage ist geschlossen, ich kann aber doch ein Cottage mieten. Schick und groß. 600 Rand, 35 Euro sind geschenkt.

Sonntag, 17. Oktober 2021

Von Kransplaas nach Graaff Reinet, 17 km

Gestern sind fast 100 km zusammengekommen und so lasse ich es heute ruhig angehen. Ich genieße die tolle Bergkulisse vor der Wüstenlandschaft. Graaff Reinet ist ein Musterörtchen, viele schöne alte Häuser und eine große Kirche.

 

Die Erfahrung von gestern hat mir mal wieder gezeigt, es wird doch alles immer irgendwie gut. Ich bin auch schon viel entspannter geworden. Ich finde meist die richtigen Wege und bewältige sie. Auch Essen, Trinken und Schlafen klappt ganz gut. Dennoch bin ich nervös, denn die nächsten Tage bringen Ungewissheit im Hinblick auf Essen, Trinken und Schlafen. Im Internet kann ich einfach nichts dazu finden. Ich muss mich also darauf verlassen, dass ich mich versorgen kann. Sicher ist nur, es geht jetzt richtig in die Berge, bis auf 1.700 m rauf.

Montag, 18. Oktober 2021

Von Graaff Reinet bis zum Karoo Huisie, 60 km, 1.000 Höhenmeter

Gestern hatte ich noch Bammel loszufahren ohne irgendwelche Unterkünfte im Internet gefunden zu haben, wo ich heute abend bleiben könnte. Heute bin ich schon unternehmungslustiger und denke, irgendetwas werde ich schon finden oder ich zelte halt mal.

 

Raus aus Graaff Reinet ist es erstmal öde. Dann beginnt die Erasmuskloof, nicht aufregend, aber ganz hübsch. Es geht langsam bergan. Alle zehn Kilometer eine Farm, ab und zu ein Auto. Ich muss also nicht hilflos verdursten und könnte mir bestimmt auch ne Unterkunft beschaffen. Die Straße steigt auf 1.600 m an und gibt Blicke auf ferne „Arizona-Berge“ frei. Über den Pass rüber wird das Tal immer schöner. Erdmännchen und Schliefer flitzen über die Straße. Große Schildkröten lassen es etwas geruhsamer angehen. Kudus, Gnus, Oryx- und andere Antilopen springen erschrocken davon. Das Tal ist traumhaft.

An einer Farm frage ich nach einem Zeltplatz. Ich könnte bleiben, es gäbe aber auch noch weitere Farmen mit netten Leuten und so radle ich noch ein Stück weiter bis zur Ziegenfarm von Johan und Christa, herzliche, gastfreundliche und interessierte Menschen. Sie haben nicht nur einen Zeltplatz für mich, sondern sogar ein hübsches Gästehäuschen, eben das Huisie.

 

Mit Henry, dem sympathischen Arbeiter, und Johan gehe ich die Ziegen füttern. Sie exportieren die Ziegen als Zuchttiere in die ganze Welt und geben Kurse für Menschen, die in das Geschäft einsteigen wollen. Christa und versorgt mich mit Saft und leckerem Trockenobst. Später bin ich zum Abendessen eingeladen. Johan ist Motorradfahrer und kennt überall Leute. Falls ich mal ein Problem habe, soll ich mich melden und er besorgt Hilfe. Das ist ein großartiges Angebot.

Dienstag, 19. Oktober 2021

Vom Karoo Huisie nach Nieu Bethesda, 50 km, 700 Höhenmeter

Schnell bin ich aus dem schönen Tal raus, finde mich auf einer langweiligen Hochebene und biege nach ein paar Kilometern auf der N2-N9-Nationalstraße Richtung Nieu Bethesda ab, das mir schon mehrfach empfohlen wurde. Die Routenführung nach bikepacking.com ist wohl nicht möglich. Privatgrund. Auf vielbefahrene Asphaltstraße hab ich keinen Bock. Also bleibt nur, einen großen Bogen über Nieu Bethesda, dann nach Norden nach Middelburg und nach Südosten zurück zur Route zu drehen. Ist zwar ein Umweg von zwei, drei Tagen, aber ich muss´n Scheiss irgendwann irgendwo sein.

Nieu Bethesda ist ein verpenntes, staubiges Örtchen. Sehr ruhig, hübsche Häuschen, Cafés, Restaurants und ein paar Geschäfte. Das meiste hat jedoch zu. Ich schau mir das Fossilienzentrum an, denn hier wurden viele Fossilien von Dinosauriern gefunden. Unter anderem konnte die Kontinentaldrift damit nachgewiesen werden. Denn dieselben Fossilien wurden auch in Südamerika, der Antarktis, Australien und Indien nachgewiesen.

Im Bushman-Heritage-Museum wird anders als erwartet, moderne Kunst ausgestellt. Große, aus leuchtend bunten Stoffen zusammengenähte Gemeinschafts-“Gemälde“, die traditionelle Geschichten erzählen. Sie werden mir lebendig von einem Nachfahren mit leuchtenden Augen hinter der Stoffmaske erzählt.

Mittwoch, 20. Oktober 2021

Ruhetag in Nieu Bethesda

Bevor ich die 90 km nach Middelburg angehe, will ich mir noch das Owlhouse ansehen. Es öffnet pünktlich um 8 Uhr. Helen Martins (1997 bis 1976), eine Künsterin, hat das Haus und den Garten gestaltet. Im Garten stehen zahllose Figuren aus einfachen Materialien, Zement und Glas. Im Haus hat sie eine bunte, verträumt-romantische Welt erschaffen, berührend und magisch. Danach bin ich entspannt und alles andere als bereit für einen langen Tag im Sattel.

Also bleibe ich noch einen Tag, hänge ab und besuche die kleine Brauerei am Fluss und den Friedhof.

Donnerstag, 21. Oktober 2021

Ruhetag in Nieu Bethesda

Heute soll es weitergehen und ich sitze in Radklamotten und mit Sonnencreme eingeschmiert am Frühstückstisch. Es sind allerdings Regenschauer und starker Wind vorhergesagt. Soll ich wirklich losfahren? Es arbeitet in mir. Auf Regen und Wind hab ich keine Lust, zumal bei der langen Strecke bis Middelburg. Aber wäre das so schlimm? Klar könnte ich es tun. Es gibt einen Drang in mir, weiterzufahren, vorwärtszukommen, möglichst viel zu sehen. Ich gebe dem aber nicht nach. Der Drang ist nicht schlecht, aber er hat nach wie vor etwas Zwanghaftes.

Die Rettung, um mit mir ins Reine zu kommen, ist die Idee. Ich könnte hier im Guesthouse Shiatsu anbieten. Ja, das ist es! Das hilft auch mir, bei mir selbst anzukommen. Katrin und Ian, meine Wirtsleute, sind leider auf dem Sprung und fahren bis morgen weg. Aber Cass und Alex, ein junges Paar aus Johannesburg, die hier ein Volontariat machen, haben Lust. Sie laden mich noch ein, die Wassermühle zu besichtigen, in der eine Frau aus dem Ort heute Getreide mahlen will.

Freitag, 22. Oktober 2021

Ruhetag in Nieu Bethesda

Auch heute komme ich nicht los. Keinen Bock auf Regenschauer und kalten Wind. Beim Frühstück unterhalte ich mich gut mit Ronel, die im Guesthouse arbeitet. Mittags lasse ich mich im Ibis von Barbara, die gestern das Mehl gemahlen hat, bekochen. Schlichte Nudeln mit Gemüse, aber superlecker. Zum Nachtisch Knoblauch-Eiscreme. Abends wird bei Wein und kleinem Bufett eine Kunstausstellung eröffnet. Ronel ist mit ihren ein Meter fünfzig die einzige Farbige.

Samstag, 23. Oktober 2021

Von Nieu Bethesda nach Middelburg, 90 km, 900 Höhenmeter

Ich schaffe tatsächlich den Absprung. Irgendwann muss ich ja auch mal weiter. Bei starkem und kaltem Gegenwind kurbel ich langsam den ersten Berg hoch und biege dann in ein Tal mit grünen Wäldchen und Gebüschen ab. Jetzt hab ich Seitenwind, später Rückenwind. Ich komme auf fast 1.900 m. Sieben Grad hat es oben.

Auf der anderen Seite breitet sich vertrocknete Grassteppe aus. Ich fühle mich wie im Herbst, ist aber Frühling hier. Der Wind schiebt nicht nur mich gewaltig voran, sondern auch graue Wolken. Von Regen bleibe ich jedoch verschont. Gen Middelburg öffnet sich eine weite Ebene mit gelber Steppenvegetation. Darauf sind Berge verteilt, mal kegel-, mal tischförmig.

Sonntag, 24. Oktober 2021

Von Middelburg nach Hofmeyr, 90 km, 500 Höhenmeter

Heute ist wieder ein langer Tag und der Wind steht leider eher ungünstig, bläst aber zum Glück nicht ganz so stark wie gestern. So komme ich nur langsam voran bei kühlen Morgentemperaturen. Nennenswerte Anstiege gibt es heute keine. Die Landschaft ist ähnlich wie gestern, schöne Tafel- und andere Berge in gelber, vertrockneter Grassteppe.

Ich lande wieder auf der Dragon´s-Spine-Route. Die Schleife über Nieu Bethesda war nicht vorgesehen. Die rund drei Tage Umweg plus drei Ruhetage haben sich aber sehr gelohnt. Bei einer Farm quere ich den Great Brak River, der erste Fluss, der richtig Wasser führt. Schon aus 20 km Entfernung kann ich Hofmeyr, mein Tagesziel, in der ebenen Landschaft und klaren Luft erkennen. Die Strecke zieht sich aber ewig mit meinen müden Beinen auf der Holperpiste.

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