„Smile with your eyes!“
Diesen Spruch, der auf die Maskenpflicht hinweist, lass ich in Kapstadt vor einem Supermarkt. Sehr sympathisch und auch mal ein guter Weg, der Maskenpflicht etwas gutes abzugewinnen. Ich hab gerne Blickkontakt aufgenommen und hatte das Gefühl, dass dunkle Haut und Maske diesen Kontakt ziemlich verstärken.
Kissenwahn
In den Unterkünften sind die Betten mit zwei, meistens sogar drei dicken Kissen ausgestattet. Pro Schlafplatz. Ich kämpfe also in einem Doppelbett mit bis zu sechs Kissen. Sie sind zum Glück nicht 80 x 80 cm groß, aber meist richtig dick. Oftmals landen sie auf dem Boden, da ich einfach nicht weiß, wohin damit.
Heizdecken
Sie tauchen vor allem in den Bergen auf. Es gibt keine Heizungen. Die Gebäude sind nicht isoliert und die Fenster alles andere als dicht. Heizdecken oder besser gesagt Heizunterbetten machen da durchaus Sinn. Nichts für mich, ist mein erster Gedanke, ich deck mich lieber richtig zu. Und Decken gibt es meist auch genug. Bis ich mal in den Genuss komme, in der Tenahead Lodge, wo sie mir vom Personal eingeschaltet wird. Hat was. Vermittelt Geborgenheit, ohne etwas dafür leisten zu müssen. Verlockend, sie auf die höchste Stufe einzustellen. Doch dann liege ich irgendwann im eigenen Saft und fange an zu frieren.
Safety, safety, safety!
Der wichtigste Spruch beim Abschied. Stay safe! Have a save journey! Positives Denken kommt eher seltener vor: Enjoy your day! Das triggert etwas in mir und verunsichert mich. Hab ja so schon genug Abenteuer, Ungewisses, Ängste. Erklärungen gibt es für dieses Sicherheitsdenken nicht wirklich. Nur Andeutungen. Oder sind das meine Gedanken? Kriminalität, Überfälle, ermordete Farmer. Nichts davon tritt ein. Am gefährlichsten sind der Autoverkehr auf stärker befahrenen Straßen und Schlangen, die ich erst spät auf der Straße liegen sehe. Erst allmählich legt sich bei mir die Verunsicherung, als ich durch die schwarzen Homelands fahre und aus dem wechselseitigen Grüßen, wilden Winken und Lachen nicht mehr herauskomme.
Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Weißen
Diese ist allgegenwärtig und ich kann es oft kaum glauben, zu was die Menschen einem Fremden gegenüber bereit sind. Nicht selten bin ich echt gerührt und hoffe, mir ein Scheibchen von der Selbstverständlichkeit abzuschneiden.
Auch die Stimmlage der Weißen, egal ob English- oder Afrikaans-Community, hat oft einen weichen, freundlichen, singenden Grundton. Ich frag mich, sind die nicht auch mal sauer, traurig, genervt, gelangweilt? Wo lassen sie ihre Aggressionen? Wenn Ärger auftaucht, dann ärgern sie sich über die Kriminalität und die Korruption im Lande, die dazu führt, dass Vieles nicht funktioniert. Mein Eindruck ist, dass es sich um ein gesellschaftliches Phänomen handelt und auch etwas mit dem Sicherheitsdenken zu tun hat. Mit der Abschaffung der Apartheid sind die Gegensätze zwischen den Bevölkerungsgruppen bei Weitem nicht gelöst. Die Weißen sind nach wie vor überwiegend die Reichen. Die Schwarzen und Farbigen diejenigen, die nicht nur durch den Kolonialismus ihre Kultur verloren haben, sondern nach wie vor arm sind, schlecht bezahlte oder gar keinen Job haben. Von daher ist es kein Wunder, dass es viel Kriminalität und auch Korruption gibt. Die Weißen halten dieses System am Leben, profitieren von den billigen Arbeitskräften und schotten sich ab. Dieser Eindruck ist stark. Nur selten treffe ich Schwarze oder Farbige in den weißen Welten oder umgekehrt.
Verliebt in das Land Südafrika?
Keine Frage, Südafrika ist ein wunderschönes und vielfältiges Land. Auch die Menschen sind wundervoll, zugewandt, interessiert und überaus hilfsbereit. Trotzdem geht mein Herz nicht so weit auf, wie ich es von manch anderen Ländern oder Regionen kenne, wie Marokko, Island, Nordschweden, den Pyrenäen, Italien, Kirgisistan. Es geht mir ähnlich wie in Kanada. Alles ist wunderbar, aber Irgendetwas fehlt.Es mag an mir liegen, meiner Bereitschaft, mich zu öffnen. Ich glaube jedoch, dass auch äußere Faktoren dazukommen. Die inneren, ungelösten Widersprüche der Gesellschaft. In Südafrika ist das das große soziale Gefälle zwischen Arm und Reich, das eng mit der Apartheidsgeschichte zusammenhängt. Damit verbunden die durch den Kolonialismus zerstörte Kultur der ursprünglichen Einwohner*innen. Dann das allgegenwärtige Sicherheitsdenken. Das passt für mich – gefühlt – nicht zusammen mit der ebenfalls allgegenwärtigen Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft.
„Drallheit“
Es gibt viele Dicke und sehr Dicke in Südafrika. Das sieht oft schwerfällig und nicht gesund aus. Es gibt aber auch viele Schwarze, eher Frauen, die ihre Drallheit selbstbewusst zur Schau tragen und sich in hautenge, farbenfrohe, knappe Stretchklamotten kleiden. Das sieht sehr fröhlich und lebensbejahend aus.
„Nummer 1“ und „Nummer 2“
„Nummer 1“ lerne ich kennen bei der Ankunft nach über fünf Stunden Autofahrt von Harrismith nach Johannesburg. Nach dem Aussteigen an meinem Guesthouse streckt Joseph, mein Fahrer, seinen Zeigefinger aus, zeigt damit auf den Boden und wackelt mit dem Finger hin und her. Alles klar, er muss mal dringend pissen. Das ist nicht schwer zu verstehen. Ich kann auch mal nach der langen Fahrt. Dass es sich hierbei um die „Nummer 1“ handelt lerne ich aber erst von Raymond, meinem Ranger im Kruger-Park. Er erklärt mir auch gleich die „Nummer 2“, ebenso leicht zu verstehen. Es bedarf nicht viler Worte. Danach ist aber Schluss, oder?